Bisher haben wir die wenigen und schwachen Erdbeben, die in unserer Nähe auftraten, stets verschlafen. Heute waren wir bereits wach, als kurz nach 6:00 Uhr ein Erdbeben der Stärke 5,2 über etwa zwei Sekunden spürbar unsere Betten wackeln ließ. Hier scheinen solche Beben niemanden zu beunruhigen, denn von irgendwelchen Reaktionen der Einheimischen bekamen wir nichts mit.
Abgesehen vom Beben begann der Tag wie gehabt mit dem inzwischen zum Running Gag gewordenen “schönes Wetter heute”, mit dem beim Aufziehen der Gardinen der einen erneut (zu) heißen Tag versprechende wolkenlose Himmel kommentiert wird. Wir wissen kaum noch, wie Wolken aussehen und richtigen Regen hatten wir das letzte Mal in Istanbul. Man kann sich durchaus daran gewöhnen, dass kein Regen zu fürchten ist. In Goa, wo wir in die Schlussphase der Regenzeit geraten werden, werden wir uns umgewöhnen müssen.
Am Nachmittag kam der Anruf vom Konsulat, wir könnten die Visa am Sonntagnachmittag abholen. Nach der Erleichterung über die gute Nachricht stellte sich gleich die nächste Herausforderung.
Der direkte Weg nach Osten würde durch Pakistan führen. Wohnmobile, die sich auf diese Strecke wagen und deren Fahrern nicht ohnehin das Visum für dieses Vorhaben verweigert wird, werden von der Polizei zu Konvois zusammengefasst und eskortiert. Wir können uns nicht vorstellen, dass zwei Fahrradfahrenden dieser Service ebenfalls zuteilwürde, nicht zuletzt, da wir die Kräfte wesentlich länger binden würden. Wollten wir Pakistan und Afghanistan nördlich umfahren, müssten wir z. B. durch Turkmenistan, Usbekistan und Tadschikistan, um über China nach Indien zu gelangen. Soweit uns bekannt, sind Visa für die Istan-Staaten nur schwer zu erhalten und erlauben nur einen für Fahrradfahrer zu kurzen Aufenthalt. Nach den jüngsten Erfahrungen mit den Behörden verwarfen wir diese Option. Naheliegend war es daher, die kritischen Regionen südlich zu umgehen. Dafür kommt der Luft- oder Seeweg infrage. Bei der intensiven Suche im Internet nach einer Fähre, mit der wir hätten einen Hafen in Indien erreichen können, fanden wir lediglich Berichte anderer Reisender, die sich während ihres teilweise mehrmonatigen Aufenthalts in Dubai intensiv darum bemüht hatten, um schließlich von Kapitänen zu erfahren, dass die Einreise nach Indien auf dem Seeweg als illegal betrachtet wird. Wahrscheinlich wäre die mehrtägige Überfahrt ohnehin teurer als ein Flug geworden, wenn wir ein Schiff hätten nehmen wollen, das ein Mindestmaß an Sicherheit und Komfort garantiert. Was bleibt, ist das Flugzeug. Direktflüge vom Süden Irans nach Indien gibt es nicht. Die nächsten Flughäfen die dies bieten, liegen in den Vereinigten Arabischen Emiraten. Von Bandar Abbas aus kann man entweder fliegen oder die Fähre nach Schardscha nehmen. Schnell kamen wir zu dem Schluss, dass wir mit einer Fähre besser bedient sind, denn jedes Umladen in ein anderes Flugzeug während eines Zwischenstopps erhöht das Risiko für die Fahrräder.
Air Arabia bestätigte telefonisch, dass kein Gepäck mit einer Kantenlängensumme von mehr als 160 cm zur Beförderung aufgegeben werden könne. Von der einzigen anderen Fluglinie, die Direktflüge zwischen Dubai oder Schardscha und Goa anbietet, konnten wir weder auf Anfrage per E-Mail noch telefonisch die Auskunft erhalten, ob sie bereit ist, unserer Fahrräder zu transportieren.
Am Abend waren wir noch eine Kleinigkeit essen. Es gibt jede Menge Fastfood aber kaum Restaurants, die traditionelle persische Gerichte anbieten. Enttäuschend für uns, denn wir hatten uns nach den guten Erfahrungen mit der persischen Küche außerhalb Irans auf dieses Essen gefreut. Wir vermuten, dass es für das Groß der Bevölkerung zu teuer ist. So aßen wir ein Hähnchen mit Brot, garniert mit viel Salat.