Den 2. August verbrachten wir mit der Planung unserer Weiterreise. Angesichts der kurzen Aufenthaltsdauer, die uns von den Visa im Iran zugestanden wird, entschlossen wir uns, erstmalig auf unserer Reise eine längere Strecke auf dem Land mit fremder Hilfe zurückzulegen. So beeindruckend die uns bereits von der Fahrt bis Täbris bekannte Landschaft auch auf der Strecke zwischen Täbris und Isfahan ist, hätte es mit dem Rad sicher mehr als zwei Wochen gedauert und es wären erneut viele Höhenmeter in einer spärlich besiedelten Gegend, in der wir mehrfach hätten wild zelten müssen, zu bewältigen gewesen. Die „gewonnene“ Zeit ist sicher sinnvoller für Besichtigungen und bei Begegnungen mit den Iranern verbracht als auf den Rädern. Erleichtert wurde uns diese Entscheidung auch dadurch, dass uns auf diesem schließlich mit dem Bus zurückgelegten Teilstück mit Ausnahme von Teheran keine großen Sehenswürdigkeiten erwartet hätten. Der Hauptstadt Irans wollen wir von Isfahan aus einen Besuch abstatten.
Die Wahl des Verkehrsmittels stellte sich als schwierig heraus. Zur Option, die Räder mit dem Zug mitzunehmen, gab es je nach Quelle widersprüchliche Aussagen. Es blieb unklar, ob wir die Räder am Bahnhof von Täbris hätten abgeben müssen, um sie am Zielort wieder in Empfang nehmen zu können, da sie mit einem speziell für den Gütertransport vorgesehenen Zug hätten transportiert werden müssen. Der Eisenbahntransport schied damit aus, zumal er mit einem das Risiko für die Räder erhöhenden Umladen in Teheran verbunden gewesen wäre. Sogar die Option, die Räder in einem samt Fahrer gemieteten Pick-up transportieren zu lassen, haben wir erwogen. Darauf verzichteten wir, da wir nicht hätten mitfahren können und befürchteten, dass in diesem Fall der Reiz für den Fahrer, die aus seiner Sicht nicht ausgenutzte Transportkapazität gewinnbringend – und leider auch fahrradgefährdend – zu nutzen, zu groß gewesen wäre.
Wir besuchten eine Reiseagentur und versuchten, die Möglichkeiten der Mitnahme im Flugzeug abzuklären. Entscheidend war für uns auch dabei die Sicherheit der Fahrräder. Damit wir uns darüber einen besseren Überblick machen konnten, riet man uns in der Reiseagentur, uns direkt am Flughafen zu informieren. Als ein im dortigen Frachtbereich anwesender Besucher bemerkte, dass wir Deutsche sind, bot er uns seine Hilfe an. Er hatte in Bochum studiert und lehrt jetzt an der Universität von Täbris. Mit großem Einsatz übersetzte er unser Anliegen. Das Gespräch mit dem für die Luftfracht zuständigen Mitarbeiter von Iran Air verstärkte unsere Bedenken. Auf den Umgang mit den Rädern durch das Bodenpersonal können weder eine Reiseagentur noch die Fluggesellschaft Einfluss nehmen. Es half auch wenig, dass man uns zu beruhigen versuchte, die Räder wären bis zu einem Wert von 40 € versicherbar, denn falls beim Transport etwas zu Bruch gehen sollte, was im Iran nicht verfügbar ist, würden wir zu viel Zeit für die Wiederbeschaffung aus dem Ausland verlieren. Damit schied auch diese für uns sicher bequemste Reiseart aus. Der Professor empfahl uns die Fahrt mit dem Bus und er wäre sicher mit zum Busterminal gekommen um uns zu helfen, wenn es seinen Verwandten nicht gelungen wäre, ihn eindringlich an bereits zugesagte familiäre Verpflichtungen zu erinnern. Er konnte wenigstens unseren Taxifahrer detailliert über unsere Wünsche informieren und ihm auftragen, wie er uns unterstützen sollte. Nach endlosen Diskussionen (es erinnerte uns stark an die Verhältnisse in Indien) erstanden wir am Busbahnhof schließlich die Tickets für die Abfahrt am darauffolgenden Tag.
Darüber war es Abend geworden und wir suchten ein Restaurant. In der näheren Umgebung unseres Hotels fanden wir noch nicht einmal einen Imbiss, geschweige denn ein Restaurant. Dafür unendlich viele Läden mit mehr als freizügiger Abendgarderobe. Sie entspricht überhaupt nicht der Alltagskleidung der hiesigen Frauen, die meist aus schwarzer Kleidung mit Kopftuch oder dem Tschador besteht. Im Bazar hatten wir bereits irritiert auf diese Kleider geschaut, bis uns ein Shop-Besitzer auf Nachfrage aufklärte. Man trägt diese Kleider in geschlossener Gesellschaft hinter verschlossenen Türen. Nach der Anzahl dieser Kleider, gefühlt nur etwa 10 % der ausgestellten Kleider würde wahrscheinlich den Ansprüchen der Sittenwächter genügen, muss hier im Verborgenen eine riesige Partyszene blühen. Wir fanden schließlich einen kleinen Imbiss, in dem man uns zwei unterschiedliche Linsengerichte mit Duftreis servierte. Mit Joghurt, Wasser, Salat und Brot zwei komplette Gerichte für gerade mal 4,20 €. Wieder wurden Adressen ausgetauscht und der Besitzer war sichtlich stolz auf unseren Besuch in seinem Imbiss. Wenn wir am Folgetag nicht abreist wären, hätte wieder eine Einladung zum Essen im Raum gestanden.
Die Zeit bis zur Abreise am Donnerstag verbrachten wir mit den Vorbereitungen für unsere Busfahrt am Abend. Check-out ist um 12:00 Uhr und so saßen wir noch bis 14:30 Uhr bei Tee in der klimatisierten Lobby, um um 15:00 Uhr die Räder zu packen und die ca. 8 km bis zum Busbahnhof zu fahren. Natürlich war es sehr warm und der Weg führte uns quer durch die Stadt. Wir kamen ohne Probleme an und konnten mit den Rädern im klimatisierten Wartesaal auf die Abfahrt des Busses warten. Schon bald waren wir wieder in Gespräche verwickelt, eine Einladung an das Kaspische Meer wurde ausgesprochen und eine iranisch aussehende junge Frau sprach zu unserer Verblüffung Diez ohne Scheu an. Der Grund für dieses für iranische Frauen undenkbare Verhalten klärte sich schnell auf: Sie war zwar im Iran geboren, jedoch schon als Kind in die USA ausgewandert.
Bereits eine Stunde vor Abfahrt des Busses konnten wir in Ruhe die Räder und unser Gepäck in der uns für einen erhöhten Preis zur Verfügung gestellten Gepäckbox verstauen. Diez hatte aus einem Geschäft im Busbahnhof einige Pappkartons zum Schutz der Räder besorgt. Wieder waren unaufgefordert helfende Hände da und so konnten wir einigermaßen beruhigt der ca. 12 Stunden dauernden und etwa 1.000 km langen Reise entgegensehen. Der Bus fuhr pünktlich ab. Bereits nach 1:30 Stunden wurde die Fahrt wegen einer Reparatur, die der Fahrer selbst ausführte, unterbrochen. Das scheint hier nicht außergewöhnlich zu sein, denn niemand verlor ein Wort darüber. Die recht bequemen Sessel und viel Beinfreiheit erlaubten uns wenigstens ein paar Stunden Schlaf und wir kamen heute mit nur einer Stunde Verspätung in Isfahan an.
Unser Athener Irankontakt, Soheil, kann derzeit leider nicht hier in seiner Heimatstadt sein. Er ist auf einer Europareise. Nachdem er von unserem Plan, Isfahan zu besuchen, erfahren hatte, informierte er seinen Bruder und einen Freund über unseren beabsichtigten Besuch in der Stadt. Die hatten für uns ein Zimmer in dem auf dem Gelände des Busbahnhofs gelegenen Hotel reserviert. Wir mussten nur unser Gepäck an die Räder hängen und diese zum Hotel schieben. Das war sicher bequemer, als müde noch mehrere Kilometer auf der Suche nach einer Unterkunft in die Innenstadt zu fahren. Der Kontakt mit Soheils Freund wurde mittels „Telegram“ (meine Telegram-Nummer lautet: +98 902 845 8976) über den Vormittag gehalten und man lud uns zu einem Treffen mit Freunden ein, das in einem Garten stattfinden sollte.
Um 16:30 Uhr wurden wir am Hotel abgeholt. Die Fahrt quer durch die Stadt vermittelte uns einen Eindruck von der Stadt und deren Lage. Sie hat etwa die Größe von Täbris. Der mit Bäumen verschiedener Obstsorten bepflanzte Garten ist riesig. Dazu ein großes, gut ausgestattetes Gartenhaus und ein Swimmingpool. Die Luft war trotz der Hitze sehr angenehm und unsere gebildeten Gastgeber erwiesen sich als warmherzig und offen. Später kamen zwei Freunde hinzu. Eine junge Frau und ein Mann, beide ebenso liebenswert und offen. So konnten wir bei gutem Essen und sehr interessanten Gesprächen den bisher vielleicht informativsten und interessantesten Abend unserer bisherigen Reise in sehr freundschaftlicher Atmosphäre verbringen. Dagmar hat inzwischen wieder so viel Sprachtraining, dass ihr Gespräche in Englisch leicht fallen. Wie selbstverständlich wurden wir nach dem Ende des Treffens wieder zum Hotel chauffiert. Trotz der fortgeschrittenen Uhrzeit herrschte erstaunlich dichter Verkehr. An einem Freitag, der unserem Wochenende entspricht, fährt man hier traditionell ins Freie und kommt spät zurück. Gegen 1:00 Uhr morgens konnten wir zwar sehr müde aber begeistert und beeindruckt von unkomplizierten und liebenswerten Iranern zu Bett gehen.