Wir entschlossen uns, in diesem angenehmen Appartement noch einen Tag zu bleiben, denn die Arbeit am Reisebericht ist durch Diez‘ Ausfall und in Ermangelung stabiler Internetverbindungen im Rückstand. Die Nacht war angenehm kühl und wir überhörten sogar die Muezzins. Dafür scheinen die örtlichen Hunde Gefallen daran zu haben, sich gegenseitig zum Einstimmen ins eigene nächtliche Gebell zu animieren. In dieser Form hatten wir das zuletzt in Griechenland erlebt. Den Tag nutzen sie dann, um sich von der nächtlichen Ruhestörung zu erholen und Kraft zu sammeln für neue Untaten in der nächsten Nacht.
Gefrühstückt haben wir im im Erdgeschoss unseres Hotels befindlichen Restaurant. Ein junger Mann setzte sich zu uns, der als Englischlehrer hier arbeitet. Es entwickelte sich ein sehr informatives Gespräch. Er stammt aus der Nähe von Izmir und wurde von der Regierung hierher versetzt. Erst im Laufe der Unterhaltung wurde uns bewusst, dass wir uns bereits tief im Kurdengebiet befinden. Wir hatten angenommen, dass wir dieses Gebiet, vor dessen Betreten fast jeder Türke warnt, nördlich umfahren. Damit erklärt sich die vermehrte Präsenz der Sicherheitskräfte, die wir seit einigen Tagen beobachten. Selbst zu einem Verkehrsunfall kam die Polizei im gepanzerten Wagen.
Der Lehrer erzählte anschaulich von seinen Schwierigkeiten im Unterricht. Die Kinder sprechen bei der Einschulung kaum oder gar kein Türkisch. Der Unterricht wird jedoch ausschließlich in Türkisch gehalten. Leider konnten wir nicht herausbekommen, wie bis zum Beherrschen der für die Schüler neuen türkischen Sprache eine sinnvolle Wissensvermittlung in anderen Fächern erfolgen kann. Unser Gesprächspartner hält sich für sprachlich nicht untalentiert, behauptete aber, Kurdisch könne man nicht lernen, es wäre schwerer als Chinesisch.
Wir sahen viele Kinder bei der Feldarbeit. Das mag auch daran liegen, dass seit einigen Tagen Schulferien sind. Wir erfuhren, dass auch außerhalb der Ferien nicht wenige schulpflichtige Kinder auf den Feldern statt in der Schule zu finden sind. Dies beträfe insbesondere viele Mädchen, für die der Schulbesuch offensichtlich als entbehrlicher angesehen wird. Die Getreideernte ist auf dem Höhepunkt und Handarbeit hat dabei einen großen Anteil. Große Maschinen, wie wir sie im Westen sahen, sind hier die Ausnahme. Es gibt einige wenige kleine Mähdrescher, die das Stroh ungebunden auswerfen. Dies wird dann mit einem heuwenderähnlichen Gerät in langen Reihen gesammelt, um anschließend mit großen Heugabeln zu Haufen gestapelt zu werden. Jugendliche mit großen Harken haben die Aufgabe, die letzten Halme zusammenzusammeln. Stroh scheint hier viel wertvoller zu sein als in Deutschland. Man streut damit die Viehställe aus und sammelt den Dung, der vielerorts noch zum Heizen verwendet wird. Wagen, von Treckern gezogen, werden von Hand mit dem Stroh beladen. Wir hatten beinahe vergessen, wie hart die Landarbeit sein kann. Dagmar kann sich durch ihre Ferien auf dem Land zu Kinderzeiten noch an einige der hier noch verbreitetet anzutreffenden Arbeitsgänge erinnern.
Das Frühstück soll nicht unerwähnt bleiben, es gab vom Käse bis zum Honig alles, was in der Türkei dazugehört. Das Brot aber war besonders, ein aufgeblasenes Fladenbrot, das noch heiß aus dem vom Gastraum einsehbaren Holzofen kam. Es war köstlich.
Der Tag verlief ruhig, wir nutzten die Waschmaschine ein weiteres Mal und aßen im mit dem Hotel verbundenen Restaurant gut zu Abend. In der Nacht ereilten Dagmar die gleichen Probleme, die Diez zwei Tage vorher hatte. Es scheint sich also um einen Virus zu handeln. Gestern lag Dagmar mit etwas Fieber und reichlich schlapp den ganzen Tag im Bett und Diez hatte Zeit für den Rechner. Auch heute gönnte sich Dagmar noch Ruhe, da es ihr zwar besser, aber noch nicht gut genug zum Weiterfahren ging.