In Portland hatte uns die Rezeption darauf aufmerksam gemacht, dass es nach Weihnachten auf der Great Ocean Road sehr voll würde. Wir trösteten uns damit, dass wir zur Not im Zelt übernachten könnten. Wenn es dann jedoch wie in den letzten Tagen erneut regnen würde, wäre es angesichts der relativ niedrigen Nachttemperatur in einem Hotel sehr viel angenehmer. Deshalb wollten wir den Aufenthalt in Warrnambool nutzen, um Unterkünfte zu reservieren. Dabei stellten wir fest, dass es nur noch wenige, extrem teure freie Unterkünfte an der Great Ocean Road gab. Zu unserer Überraschung waren selbst die Campingplätze ausgebucht und deren Betreiber weisen darauf hin, dass nicht der Platz das begrenzende Kriterium sei, sondern die Personenanzahl.
Der kritische Abschnitt auf dem Weg nach Melbourne ist zwar nicht sonderlich lang, da jedoch einige Höhenmeter zu bewältigen sind, erwarten wir etliche Übernachtungen, die alle wild durchzuführen uns zu unbequem erschien. Wir erwogen zunächst, das Ende der Hauptferienzeit in Warrnambool abzuwarten. Doch einerseits waren in Warrnambool keine passenden Unterkünfte mehr zu buchen und andererseits wäre es in Warrnambool auf Dauer zu langweilig geworden. Gleiches traf auf Unterkünfte in der weiteren Umgebung der Great Ocean Road zu. Angesichts dieser Rahmenbedingungen erschien es uns am sinnvollsten, die Zeit bis zum Abflauen der Peak Season in Melbourne zu verbringen.
Was wir im Internet über die Möglichkeiten, mit dem Zug oder der Bahn Melbourne zu erreichen, erfuhren, ließ noch Fragen offen: Busse transportieren auf der Strecke keine Fahrräder. Die Bahn begrenzt das Gepäck lt. Internetauftritt auf zwei Stück mit jeweils maximal 20 kg. Fahrräder werden nur mitgenommen, wenn dafür noch Platz ist. Wie verfahren wird, wenn unsere Fahrräder nicht mitgenommen werden können, ob es Möglichkeiten gibt, Gepäck aufzugeben, wo und wann das zu geschehen hat, ob wir umsteigen müssen, ob wir ausreichend Zeit haben, Räder und Gepäck ein- und auszuladen und ob wir so kurz vor Weihnachten überhaupt eine Chance haben, mit unseren Rädern transportiert zu werden, hofften wir am Bahnhof klären zu können. In Deutschland hätten wir in einer vergleichbaren Situation, selbst wenn wir nicht einen Tag vor Heiligabend hätten fahren wollen, aufgegeben. Da wir jedoch stets festgestellt hatten, dass der Service außerhalb Deutschlands sehr viel besser war als der der DB, informierten wir uns am Morgen des 22. Dezember am Bahnhof von Warrnambool. Das Gewicht schien ebenso wenig ein Problem zu sein wie die sehr viel höhere Gepäckanzahl und es waren für den 23. Dezember nur wenige Plätze reserviert. Gepäck und Fahrräder werden zudem ohne Aufpreis auf das gegenüber Deutschland ohnehin günstige Ticket befördert. Der Zug wird in Warrnambool eingesetzt und endet in der Southern Cross Station von Melbourne, unserem Ziel. Bereits eine halbe Stunde vor Abfahrt könnten wir die Räder und das Gepäck einladen und dass unsere Fahrräder keinen Platz fänden, wurde von dem äußerst freundlichen Bahnbediensteten als sehr unwahrscheinlich bezeichnet. Und selbst wenn der Fall eintreten sollte, würde man uns mit dem nächsten Zug mitnehmen. Dennoch entschieden wir uns für den ersten Zug um 6:06 Uhr, da wir vermuteten, dass der nicht so voll seien würde wie die folgenden.
Als Nächstes stand die Buchung einer Unterkunft an. Erwartungsgemäß liegen die wenigen noch verfügbaren bezahlbaren Hotelzimmer weit außerhalb des Stadtzentrums. Erst die Ausweitung der Suche auf Serviced Apartments und Privatunterkünfte führte zu akzeptablen Ergebnissen. Wir versuchten daher mittags eines der Serviced Apartments über Airbnb zu reservieren. Der Vermieter hat bei diesem Anbieter 24 Stunden Zeit, die Reservierung zu bestätigen. Im ungünstigsten Fall hätten wir also die Frist in Melbourne abwarten müssen, um dann zu erfahren, dass das Apartment nicht mehr verfügbar sei. Keine befriedigende Aussicht, weswegen wir uns vorgenommen hatten, bei einer nicht rechtzeitige erhaltenen Zusage unsere Anfrage zurückzuziehen und uns um eine andere Unterkunft zu bemühen. So lange mussten wir nicht warten. Am späten Nachmittag wurde uns mitgeteilt, dass die angefragte Unterkunft bereits vergeben sei. Bei der erneuten Suche, diesmal mit der Einschränkung, dass nur solche Unterkünfte angeboten werden, für die es keiner Buchungsbestätigung bedarf, stießen wir auf das erstaunlich günstige Angebot eines Apartments im CBD (Central Business District), dem normalerweise teuersten Stadtteil. Besonders aussagekräftig waren die Informationen zu diesem Apartment nicht. Die wenigen Fotos stammten offensichtlich aus dem Verkaufsprospekt für das Objekt und es gab keine Rezensionen ehemaliger Mieter. Wir gingen dennoch das Risiko ein und buchten.
Am 23. Dezember klingelte der Wecker um 4:15 Uhr. Als wir den Bahnhof erreichten, empfing uns ein freundlicher, hilfsbereiter Schaffner und wir konnten das Gepäck und die Räder in den Gepäckbereich des bereitgestellten Zuges laden. Es gab nicht einmal den Hinweis, dass die Bahn nicht verpflichtet sei, so viele und teilweise über dem Gewichtslimit liegende Gepäckstücke zu befördern.
Wir kamen pünktlich in Melbourne an und erreichten das Hochhaus mit unserem Apartment nach kurzer Fahrt. Von dort informierten wir den Vermieter, der mit seiner Frau kurz darauf eintraf. Dagmar wartete mit den Fahrrädern vor dem Eingang, während Diez sich das in der 16. Etage liegende Apartment zeigen ließ. Es ist deutlich moderner und besser als der Preis erwarten ließ: Voll ausgestattet mit vierflammigem Gasherd, Backofen, Mikrowelle, Kühl-Gefrierkombination, Wi-Fi, Flachbildschirm, Klimaanlage, Waschmaschine, abtrennbarem Schlafbereich, einem Balkon, auf dem Wäsche getrocknet werden kann und die Fahrräder ihren Platz fanden. Wie alle Hausbewohner können wir zusätzlich die Bereiche in der ersten (Spa mit Swimmingpool) und 53. Etage (Aufenthaltsbereich mit Kaminecke, umlaufendem Balkon und weitem Blick über die Stadt, Sitzinseln, Küche und Grill) nutzen. Erst als uns eröffnet wurde, dass wir die ersten Mieter seien und das Angebot erst kurz vor unserer Buchung geschaltet worden ist, verstanden wir das offensichtliche Missverhältnis zwischen Preis und Leistung. Ein Problem gab es noch zu lösen: Die Unterbringung der Fahrräder. Die Vermieter hatten keine Probleme damit, die Räder auf den Balkon zu stellen. Sie wiesen jedoch darauf hin, dass Fahrräder in dem Gebäude nicht gestattet seien. Sie stimmten zu, dass wir versuchen könnten, die Fahrräder während einer Abwesenheit des Pförtners in das Apartment zu schmuggeln. Wir fingen also an, das Gepäck zum Fahrstuhl zu tragen. Bereits beim ersten Stück, das Diez in das Apartment brachte, sprach ihn der Pförtner an. Diez fragte ihn, ob er uns, das Gepäck und die Fahrräder mit dem Fahrstuhl, der üblicherweise die Autos in die Parketagen bringt, zum Lieferanteneingang in der dritten Etage fahren lassen könne. Erstaunt erkundigte sich der Pförtner nach unserer bisherigen Reise, als er sah, dass wir mit Fahrrädern unterwegs sind. Schnell kamen wir mit dem aus Hyderabad stammenden Pförtner ins Gespräch über die Schönheit Indiens und die kulinarischen Vorzüge der indischen Küche. Dass wir unsere Fahrräder nicht mit ins Zimmer nehmen dürften, war dann kein Thema mehr. Stattdessen half er uns, des Gepäck ins Apartment zu tragen.
Das Apartment haben wir bis zum 13. Januar gebucht und wir freuen uns, es so gut getroffen zu haben.
Aufnahmedatum 23/12/2019
Wir haben das Hochhaus mit unserem Apartment erreicht Wo?Nach Rechtsklick
außerhalb öffnen