Heute verließen wir das Hotel bereits gegen 16:30 Uhr, denn obwohl die Fähre erst gegen 21 Uhr ablegen soll, kalkulieren wir inzwischen für die nicht immer reibungslosen administrativen Abläufe einen großzügigen Zeitpuffer ein. Bandar Abbas verabschiedete sich mit den gewohnten hohen Temperaturen. Nach knapp 10 km erreichten wir den Fährhafen, dessen Wartebereich glücklicherweise klimatisiert ist.
Die Fähre soll morgen gegen 7:00 Uhr in Schardscha, einem Dubai benachbarten Emirat, ankommen. Wir waren mit unseren Rädern erneut die Attraktion und kamen schnell mit einem ranghohen Polizisten ins Gespräch. Er erzählte uns, dass er seine drei Kinder in Deutschland studieren lassen und ggf. auch selbst ausreisen möchte. Diez konnte ihm einige Informationen über Deutschland geben. Der Mann revanchierte sich dadurch, dass er überall für unsere beschleunigte Abfertigung sorgte. Die Räder brachten wir auf das Lkw-Deck und sicherten sie gegen Umfallen. Obwohl wir keinen Grund sahen, dass nicht rechtzeitig abgelegt werden konnte, verzögerte sich die Abfahrt bis ca. 23 Uhr. Auf dieser Fähre gibt es keine Kabinen, doch da das Schiff nur zu etwa einem Viertel belegt war, konnten wir es uns auf jeweils vier benachbarten Sitzen zum Schlafen bequem machen.
Die Passagiere sind eine bunte Mischung aus Arabern und Iranern. Beim Einchecken gingen zunächst allein oder nur mit ihren Kindern reisenden Frauen an Bord. Dann erst Paare und schließlich folgten allein reisende Männer. Die meisten Frauen tragen den Tschador, das traditionelle große, bodenlange schwarze Tuch. Manche Frauen sind auch vollverschleiert, teilweise mit ungewöhnlichen Masken, die nur schmale Sehschlitze lassen. Diese Form der Verschleierung behindert die Frauen, sei es beim Essen in der Öffentlichkeit, sei es beim Umgang mit den Kindern oder beim Tragen von Gegenständen. Wir haben gelesen, dass mit der Vollverschleierung eine besondere Frömmigkeit zum Ausdruck gebracht werden soll – ob freiwillig oder auf Druck des Mannes, ist uns nicht bekannt.
Diez fragte einen Steward, wie lange Dagmar das Kopftuch noch tragen müsste, sie würde sich seit sechs Wochen auf den Moment freuen, es wieder ablegen zu dürfen. Er amüsierte sich sichtlich und versprach, uns zu informieren. Kaum hatten wir die Dreimeilenzone verlassen, kam er und Dagmar konnte sich endlich des Kopftuchs entledigen. Zu unserer Überraschung stellten wir fest, wie weit das Tragen des Kopftuchs bereits verinnerlicht worden war. Diez bemerkte, dass Dagmar sehr ungewohnt ohne Kopfbedeckung aussähe und bis Dagmar den unwillkürlichen Griff zur Kontrolle des möglicherweise verrutschten Tuchs unterließ, dauerte es noch eine Weile.
Aufnahmedatum 04/09/2017