Heute unterquerte Diez mit der Untergrundbahn (Marmaray) den Bosporus und kaufte auf der asiatischen Seite Istanbuls in einem Fahrradgeschäft die beiden Ölsorten, die für den Ölwechsel der Nabenschaltungen benötigt werden. Auf dem Rückweg sah er, dass der Sultan-Ahmed-Platz vollständig mit Tischen und Stühlen gefüllt ist. Nach dem Abendessen wollten wir sehen, ob wir mit unserer Vermutung richtig lagen, die Tafeln würden mit dem ersten Fastenbrechen des diesjährigen Ramadan in Zusammenhang stehen. Im aufgeschlossenen und westlich orientierten Istanbul müssen wir auch tagsüber während des Ramadans nicht hungern. Wir haben keine Lokale gesehen, die wegen des Ramadans geschlossen sind. Es kann jedoch sein, dass sie bis zum Sonnenuntergang noch schlechter besucht sind als vor dem Fastenmonat. Wir verstoßen mit dem Essen und Trinken während des Tages nicht gegen die Fastenregel, die dies Kranken, schwangeren Frauen, Kindern und eben Reisenden gestattet – solange sie die Fastentage nachholen. Kein Stuhl war jetzt unbesetzt und selbst im benachbarten Park um die Blaue Moschee hatten sich viele Menschen versammelt. Städtische Helfer verteilten an jeden Platz aus mehreren Kammern bestehende, mit Folie verschlossene Essensschalen. Wie uns mitgeteilt wurde, findet während des gesamten Ramadans hier allabendlich ein gemeinsames Fastenbrechen statt. Die Speisen wurden an diesem ersten Tag von der Stadtverwaltung kostenlos gestellt. Mit dem Sonnenuntergang waren, soweit wir das sehen konnten, alle Anwesenden versorgt. Es herrschte eine Stimmung wie vor dem „O’zapft is!“ beim Oktoberfest. Wobei wir uns meinen erinnern zu können, dass der Bierdurst eine größere Vorfreude zu erzeugen in der Lage ist als der Hunger – vielleicht, weil man nicht nur einen halben Tag, sondern fast ein Jahr auf das erlösende Ereignis hat warten müssen. Zwei Schüsse aus einer Haubitze gaben schließlich das unüberhörbare Startzeichen für das Mahl.